Beim Wiedersehen zum 10-jährigen Klassentreffen waren wir uns schnell einig, dass es Zeit wäre, etwas Eigenes zu machen. Ulrike Geist hatte bereits lange ein Kulturkalendarium betreut, Claudia Fenkart-N'jie hatte die Kenntnis der Musik und in unseren Geprächen stellten wir fest, dass es bisher noch kein umfassendes Musikkalendarium für Baden-Württemberg gab. In Stuttgart konnte man sich in den Medien nur über genau das informieren, was im nahen Umfeld passierte. Aber was steht in Tübingen, Esslingen oder Ulm auf dem Programm? Denn moderne kulturinteressierte Menschen, so unsere Überlegungen, sind ja durchaus bereit, für gute Veranstaltungen auch eine längere Fahrtzeit in Kauf zu nehmen: die Idee des Musikkalenders Baden-Württemberg war geboren!
Wir kündigten unsere Stellen, entwarfen ein tragfähiges Konzept und gründeten eine GbR. Dann ging's an die Details: Adressen recherchieren, eine Systematik ausdenken, alles sollte leserfreundlich gestaltet sein. Zu Beginn haben wir die Register nach Namen und Orten von Hand sortiert, an die 800 Adressen gemarkert und abgetippt: eine Sisyphus-Arbeit! Aber so entstand eine kleine, aber umfassend informierende DIN-lang-Broschüre in vierteljährlichem Erscheinungsturnus, die über die regionalen Grenzen hinweg erstmals die Musikinteressierten im Voraus informierte.
Ärmel hochgekrempelt und angepackt
Doch unsere anfänglichen großen Hoffnungen, mit dieser Intiative bei einer Vielzahl von Veranstaltern und Unternehmen finanzielle Unterstützung durch Anzeigenschaltungen zu finden - die Grundvoraussetzung für jedes Überleben eines Printprodukts - mussten wir bald aufgeben. Das kostenlose Listing im Kalender wuchs von Ausgabe zu Ausgabe, aber die Mediabudgets im Kultursektor waren und sind sehr gering. Aber es gab auch Menschen, die erkannten, dass die Initative auch einer Unterstützung bedarf. Helmut Calgéer zum Beispiel, damaliger Präsident des Landesmusikrates mit Sitz in Karlsruhe unterstützte uns aktiv, indem er uns in den Newsletter des Landesmusikrates mit aufnahm und wir konnten allmählich mit viel Überzeugungsarbeit Anzeigenkunden gewinnen, um das Projekt dauerhaft finanziell zu sichern.
Nach zwei Jahren aber standen alle wichtigen Veranstalter unterstützend hinter uns und wir fanden, es wäre an der Zeit, die Fachnische Musik zu verlassen und eine Zeitschrift für alle Kultursparten zu machen. Auch die große Resonsanz unserer Leserschaft motivierte uns und bestärkte uns in der Erkenntnis, wer sich für Musik interessiert, ist auch zugleich an Theater, Bildender Kunst, Literatur und Tanz interessiert. Dem Geschäftsführer des Druckhaus Waiblingen gefiel unser neues Projekt und er unterstützte uns mit einer Druckpartnerschaft. So erarbeiteten wir ab 2001 ein umfangreiches Konzept für ein spartenübergreifendes Kulturmagazin in Baden-Württemberg. Wir änderten das Format auf DIN A5, entwickelten ein eigenes Computer-Programm zur Erfassung der Daten und gleichzeitig eine Internetpräsenz. Unser Kulturkalender Baden-Württemberg, wie wir ihn jetzt nannten, war das erste interdisziplinäre Kulturmedium im Land und nicht ganz ohne Stolz präsentierten wir die erste Ausgabe in einem Festakt im weißen Saal des neuen Schlosses Stuttgart. Als Laudator konnten wir Peter Voß, den ehemaligen SWR Intendanten gewinnen und als weiteres Highlight spielte das Melos Quartett Stuttgart.
Wachsen und Gedeihen
Die Zusammenfassung aller Sparten innerhalb eines Kulturmagazin wurde wegweisend und lag im Zeitgeist, erst jüngst hat die Wochenzeitung „Die Zeit" ihre Trennung von Buch, Kunst, Musik etc. aufgehoben und einen allgemeinen Kulturteil lanciert.
Immer wichtig war uns von Anfang an, eine Publikumszeitschrift zu sein, wir wollten mit keiner Fachzeitschrift konkurrieren. Es ging uns auch nicht darum, Kritiken, Rezensionen oder Beurteilungen zu schreiben, vielmehr bieten wir bis heute eine redaktionelle und kalendarische Übersicht über die Kultur unseres Landes in seiner enormen Vielfalt. Neben Veranstaltungen, die wir präsentieren, soll Baden-Württemberg kulturell besser greifbar werden, indem beispielsweise wichtige Kulturschaffende unseres Landes vorgestellt werden. Wir haben feste Rubriken eingeführt wie z. B. Podium Junge Kunst oder Rubriken, in denen wir Berufe aus dem Kulturbereich oder besondere sehenswerte Orte vorstellen. Dabei werfen wir gerne einen Blick hinter die Kulissen und stellen sie auch im familiären Umfeld vor.
Relaunche
Inhaltlich waren wir dort angekommen wo wir hin wollten, gestalterisch gab es aber noch einiges zu tun. Da lernten wir auf einer Ausstellungseröffnung Prof. Kurt Weidemann, einen der führenden Typographen und Grafikdesigner Europas, kennen. Er hat die Erscheinungsbilder u. a. von Daimler Benz, Merck, Zeiss und Porsche neu gestaltet und geprägt. Er war auf Anhieb von unserem Magazin begeistert, hatte grafisch jedoch einige Kritikpunkte. Er bot uns spontan an, für uns kostenlos ein neues Layout zu entwerfen. Wir wechselten auf DIN A4 Format und überarbeiteten alle Seiten und Themenbereiche, denn die Leser stellten zu Recht nicht nur an das Geschriebene Ansprüche, es sollte natürlich auch optisch angemessen und ästhetisch präsentiert sein.
Da es nicht immer einfach war, unsere Vorstellungen externen Grafikern zu vermitteln, haben wir kurzerhand einen Grafikkurs belegt und angefangen unser komplettes Layout selbst gestalten.
Wir wollten Kultur nicht trocken und kopflastig präsentieren, sondern über den Kulturkalender eine sinnliche Erfahrung von Kultur ermöglichen. Dazu gehören auch ansprechende Bilder, die durchaus auch Emotionen wecken und eine ausdrucksstarke Typographie und Ästhetik im Erscheinungsbild. Unsere Beiträge sollten den Lesern Vergnügen machen und ihr Interesse anregen, unterschiedliche Veranstaltungen, Museen oder Events zu besuchen. Relativ zügig entwickelte sich so inhaltlich und formal eine Kulturzeitschrift, die sich inzwischen auf dem Medienmarkt einen festen Platz erobern konnte.
Gezielt erweitern
Nicht nur weil wir selbst Kinder haben, sondern auch wegen starker Nachfrage, haben wir uns entschlossen, einen Kinderkulturkalender hinzuzufügen. Die Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart hatte uns dazu angeregt. Die Sparda Bank sponserte das Unternehmen. Zuerst konnte dieses Special als Extraheft herausgetrennt werden, doch nach einigen Ausgaben war der Förderbetrag aufgebraucht und das Supplement erwies sich als zu teuer. Weil wir den Kikuka aber nicht aufgeben wollten, integrierten wir eine abgespeckte Fassung als festen Bestandteil ins Magazin, wo er sich bis heute großer Resonanz erfreut. Jetzt stellen wir hier jedoch nur noch die Highlights vor, für die es sich sicher lohnt, Kind und Kegel ins Auto oder in die Bahn zu packen.
Blick zurück & nach vorn
Etwa 1000 Abonnenten und 300 Kulturpartner bekommen den Kulturkalender derzeit vierteljährlich geliefert. Ebenfalls etwa 300 Buchhandlungen mit Schwerpunkt auf Kunst und Kultur erhalten Exemplare, die kostenlos an Kunden abgegeben werden. Inzwischen konnten wir alle wichtigen Veranstalter als Partner gewinnen und haben im Laufe der Jahre viele interessante Menschen vor und hinter den Kulissen kennen gelernt. Zu den langjährigen Wegbegleitern gehören der Unternehmer und Kunstsammler Prof. Reinhold Würth, die Sparda Bank, Kurt Weidemann, Staatssekretär a. D. Michael Sieber, der bei vielen Institutionen ein gutes Wort für uns eingelegt hat, sowie viele andere bekannte Kulturschaffende und Förderer.
Oft nicht ganz unaufgeregt klopften wir an Türen, führten zahlreiche Interviews, sprachen interessante Persönlichkeiten an und suchten immer den direkten Draht zu den Künstlern und Kunstverantwortlichen. Prägend war ein Gespräch mit Andreas Mölich-Zebhauser, dem Leiter des Festspielhauses Baden-Baden: Es war eines unserer ersten Interviews und gehört zu den besten Gesprächen, die wir geführt haben. Unvergessen bleibt auch ein Interview mit Nina Hoss, auf das wir lange warten mussten. Wir trafen uns in Berlin bei einem Italiener und waren sofort von ihrer netten Art eingenommen. Es war eine intensive und sehr persönliche Begegnung mit einer charismatischen Schauspielerin. Im Laufe der Jahre hatten wir das Vergnügen immer mehr Menschen treffen zu dürfen, für die die Kultur ganz oben steht. Das Mittagessen bei dem Kunstsammler Friedrich Erwin Rentschler zu Hause in Laupheim bleibt dabei ebenso unvergessen wie die Begegnung mit Lothar Späth.
Auch unsere verschiedenen Begabungen und Charakterzüge waren in der ganzen Zeit für uns immer eine Bereicherung. Während Ulrike Geist sich mehr um die Bildende Kunst und die Betriebswirtschaft kümmert, kümmert sich Claudia Fenkart-N'jie um die Musik und die Anzeigenakquise.
„Kultur kann nur überleben, wenn die Menschen wissen, dass sie da ist“
Deswegen sind verfügbare Informationen wichtig. Auch künftig. Für uns bedeutet der Kulturkalender aber nicht nur Arbeit. Es ist die schönste Arbeit, die wir uns vorstellen können und wir freuen uns immer wieder auf jede Ausgabe aufs Neue.
Gespannt und neugierig erwarten wir, was die Zukunft bringen wird und lauschen mit offenen Ohren, staunenden Augen und bewegten Herzen der Vielfalt des kulturellen Lebens in Baden-Württemberg.